Vinyl-Ratgeber: Vinyl versichern

Vinyl-Ratgeber: Vinyl versichern

Naturkatastrophen wie die Flut im Ahrtal 2021 haben gezeigt, wie schnell es gehen kann – und alles, was man besaß, ist zerstört. So auch die Plattensammlung. Wer sie dokumentiert und versichert, erhält immerhin einen finanziellen Ausgleich. Der stellt den ideellen Wert der Platten nicht wieder her, sorgt aber dafür, dass man als Sammler nicht vor dem Nichts steht. andré bosse hat sich bei Versicherern umgehört. Credo: Ein guter Vinyl-Versicherungsschutz lebt vom Mitmachen.

1. Versicherungssumme: Welche Werte sind versichert?

Grundsätzlich ist die Plattensammlung wie jeder andere Ge- und Verbrauchsgegenstand durch die Hausratversicherung abgesichert. Gedeckelt wird die Höhe der Absicherung durch die Versicherungssumme. Zugrunde liegt ihr ein „Durchschnittswert auf Basis der Quadratmeter der versicherten Wohnung“, wie Markus Keller erklärt, Experte für Kunstversicherung bei der Allianz Versicherungs-AG. Bei Sachwerten wie Möbeln geht diese Kalkulation gut auf. Das Problem bei einer Vinyl-Sammlung: Ihre Fläche sagt wenig bis nichts über ihren Wert aus. Fünf Raritäten können tausendmal so viel gekostet haben wie hundert Platten aus der Flohmarktkiste.

Ole Probst, Berater beim unabhängigen Versicherungsmakler-Unternehmen Döhler Hosse Stelzer, beziffert den Versicherungswert pro Quadratmeter in einer normalen Wohnung auf 650 Euro. Beim Blick aufs Plattenregal zeigt sich recht schnell: Dieser Wert kann für eine Sammlung schmaler LPs deutlich zu wenig sein. Es droht eine „Unterversicherung“, sprich: Der Wert des Hausrats ist höher als die auf Basis der Quadratmeter ermittelte Versicherungssumme. „Für viele Sammler kann es daher sinnvoll sein, den Wert der Platten zusätzlich zur üblichen Versicherungssumme des Hausrats hinzuzurechnen“, sagt Probst. Zu beachten ist natürlich: Bei aufgestockten Summen steigen die Prämien.

Eine Art Flatrate bietet dagegen der Versicherer helden.de: Die Versicherungssumme der Hausratversicherung dieses Anbieters beträgt pauschal 500.000 Euro. Die Prämie errechnet sich aus der Größe der Wohnung und dem Wohnort des Versicherten. „Die Plattensammlung ist hier automatisch mitversichert“, sagt Jens Molkewehrum von helden. de. Ein Teil des dort angebotenen Vertrags ist eine generelle Eigenbeteiligung von 150 Euro. Kommt also nur eine Platte mit einem Wert von 200 Euro zu Schaden, werden 50 Euro ersetzt. Liegt der Schaden bei 2.000 Euro, zahlt der Versicherer 1.850 Euro.

Besitzt die Sammlung einen sehr hohen Wert, ist eine Zusatzversicherung eine Option. Sei es, weil die Sammlung die Prämie der Hausratversicherung nach oben kurbelt – oder im Fall von helden.de die 500.000 Euro Versicherungssumme gesprengt werden könnte. „Bei einem Wert der Sammlung von mehr als 20 Prozent der Hausratsumme oder einem Wert der Sammlung von mehr als 50.000 Euro sollte aus unserer Erfahrung der „normale“ Hausratversicherer über diese Sammlung informiert werden“, sagt Ole Probst von Döhler Hosse Stelzer.In Frage kommen in solchen Fällen zum Beispiel spezielle Kunstversicherungen. Die gibt es nicht nur für Museen, sondern auch für private Sammler. Die Allianz bietet in diesem Segment etwa die „Art Privat“ an, wenn die Gesamt-Hausratssumme 300.000 Euro überschreitet. Interessant sind Zusatzversicherungen auch für audiophile Hörer, die neben wertvollem Vinyl teure High-End- Anlagen besitzen. „Die individuelle Summenermittlung eines Hausrates mit solchen Besonderheiten kann dann von unseren Kunstexperten begleitet werden, auch nach Abstimmung vor Ort“, sagt Markus Keller.

Fazit: „Generell kann der Schutz einer Hausratversicherung für eine Sammlung ausreichen“, resümiert Ole Probst. Bei sehr hochwertigen Sammlungen sei eine Spezialversicherung eine Überlegung wert.

2. Dokumentation: Wie belege ich den Wert der Sammlung?

Für eine Versicherung ist ein Schadensfall bei der Plattensammlung eine komplizierte Sache. Es gibt LPs, die für einen Euro in der Grabbelkiste zu haben sind, aber einen immensen Wert besitzen, wenn sie als perfekt erhaltenes Original oder Rarität im Regal stehen. Klar ist also: Der Sammler selbst ist dafür verantwortlich, den Wert seiner Sammlung zu dokumentieren. „Eigeninitiative lautet die Devise“, sagt Jens Molkewehrum von helden.de. Kaufbelege sind optimal, wenn sie denn ausgestellt werden können, insbesondere natürlich bei teuren Käufen im Internet oder auch auf Börsen. Hier lohnt es sich, den Händler aus Versicherungsgründen lieber einmal mehr zu nerven, als hinterher keinen Beleg zu haben. Wichtig ist darüber hinaus eine Foto- Dokumentation der gesamten Sammlung, kombiniert mit einer Wert-Ermittlung der Platten über Portale wie Discogs. Keine Frage: Das kann dauern, wenn man einige Tausend Platte sein Eigen nennt. „Zumal das Foto der Platte tatsächlich auch die Elemente belegen sollte, die den Wert nach oben treiben. Zum Beispiel den Zustand des Covers oder Kennzeichen dafür, dass es sich um eine seltene Sonderveröffentlichung handelt“, so Molkewehrum. Handelt es sich um außerordentliche Raritäten zu Spitzenpreisen, sind zusätzliche Belege sinnvoll. „Bei besonders wertvollen Stücken gelten Wertzertifikate als notwendige Ergänzungen“, stellt Ole Probst fest.

Der Aufwand für diese Dokumentation ist nicht zu unterschätzen, doch immerhin: Sammlern dürfte der Prozess der Wertermittlung bekannt sein. „Erfahrungsgemäß verfügen ambitionierte Sammler über ein ausgezeichnetes Wissen und die nötige Erfahrung, um Besonderheiten wie Signaturen, Auflagen, Sonderpressungen, Herkunft oder Zustand in Einzelfällen bewerten zu können“, sagt Markus Keller von der Allianz.

Wobei letztlich der Markt die Angebots- und Nachfragesituation regelt – was wiederum ausschließt, dass ideelle Werte in die Einschätzung einfließen: Die deutsche Pressung von David Bowies Hunky Dory ist im VG-Zustand eben kaum mehr Wert als 20 Euro – der mögliche Umstand, dass diese LP die erste Platte eines Sammlers überhaupt war, spielt im Schadensfall keine Rolle.

Handelt es sich bei der Hausrat- oder Sonderversicherung nicht um eine Pauschale, sollte der Sammler dem Versicherer regelmäßig die Wertsteigerung seiner Kollektion mitteilen. Nur so kann die Versicherungssumme angepasst und eine Unterversicherung verhindert werden. Zur Beruhigung: Viele Anbieter bauen für ihre Kunden eine Art Puffer ein. Bei der Allianz etwa handelt es sich „um eine Vorsorge von 20 Prozent der Gesamtversicherungssumme, die dann zum Tragen kommt, wenn in einem Schadensfall die Bewertungen nicht aktuell sind“, erklärt Keller. Ebenfalls essenziell: Die beste Dokumentation nutzt nichts, wenn sie genauso wie die Platten im Schadenfall zerstört wird. „Man sollte sie deshalb nicht an gleicher Stelle wie die Sammlung aufbewahren“, sagt Jens Molkewehrum und empfiehlt, die Dokumentation digital in einer Cloud zu hinterlegen.

Fazit: Versicherungen wissen sehr genau, was Plattensammlungen heute wert sein können. Dennoch liegt die Beweispflicht beim Besitzer, der über Fotos und Listen die Kostbarkeit seiner Stücke belegen muss. Was mit Hilfe von Portalen eine Fleißarbeit darstellt, aber kein Hexenwerk ist.

3. Im Schadensfall: Wann wird was entschädigt – und wann nicht?

Ist der Schadensfall eingetreten und meldet der Versicherte den Verlust oder die Zerstörung einer Plattensammlung mit großem Wert, ist es üblich, dass der Versicherer einen Gutachter schickt. Nicht aus Misstrauen, sondern aus Routinegründen. „Bei einem Wasserschaden ist die Sammlung ja noch vorhanden, wenn auch nicht mehr brauchbar“, sagt Jens Molkewehrum von helden.de. „Bei einem Schaden durch Feuer kann das ganz anders sein, weil überhaupt nicht mehr klar ist, was für eine Platte dort im Regal stand.“ Daher sei die Dokumentation so wichtig.

Zahlt die Versicherung, richtet sich die Entschädigung nach dem Wiederbeschaffungspreis von „Sachen gleicher Art und Güte“, wie es im Versicherungsdeutsch heißt. „Dadurch werden die eventuellen Preissteigerungen berücksichtigt“, erläutert Markus Keller von der Allianz. Für Plattensammler ist das ein entscheidender Punkt: Wer sich 1997 für fünf Pfund die erste EP der schottischen Beta Band gekauft hat, bekommt im Schadensfall nicht diese fünf Pfund von damals zurück, sondern die 100 Pfund, die heute nötig sind, um sich diese Rarität wiederzubeschaffen.

„Bei einem Wert der Plattensammlung von mehr als 50.000 Euro sollte der normale Hausratversicherer informiert werden.“

Ole Probst, Versicherungsberater


Sehr genau hinschauen sollten Sammler, welche Art von Schäden beim jeweiligen Anbieter mitversichert sind – und welche nicht. Wobei diese Analyse rechtzeitig erfolgen muss, also vor einem eventuellen Schaden. Denn hinterher ist es zu spät. „Grundsätzlich versichert die Hausratversicherung den Neuwert bei Schäden durch Einbruchdiebstahl, Leitungswasser, Feuer, Sturm und Hagel“, sagt Ole Probst. Der Schutz vor Elementarrisiken – wozu neben Schneedruck und Erdbeben auch Überschwemmungen zählen – müsse daher in vielen Fällen zusätzlich versichert werden.

Die Versicherer von helden.de verzichten unterdessen auf das Kleingedruckte und bieten auch hier eine Pauschale, in der Elementarschäden enthalten sind. Auch „Art Privat“ der Allianz deckt diese Schäden nach dem Prinzip einer „Allgefahrenversicherung“ ab, ausgeschlossen sind aber weiterhin Schäden durch Verschleiß (im Versicherungsdeutsch „Allmählichkeitsschäden“ genannt) sowie natürlich Vorsatz.

Apropos: Beschädigt jemand die Plattensammlung, greift nicht die Hausrat-, sondern die Haftpflichtversicherung dieser Person. Werden einem Northern-Soul-DJ auf dem Weg zum „Allnighter“ seine wertvollen Singles geraubt, greift – nach Erstattung einer Anzeige – die Außenversicherung. Sie ist dafür konzipiert, Hausrat auch dann zu schützen, wenn er mit dem Eigentümer „unterwegs“ ist, wie Jens Molkewehrum sagt. Versicherte sollten prüfen, ob diese Außen- in der gewählten Hausratversicherung inklusive ist – und wie hoch dabei die Versicherungssumme ausfällt.

Fazit: Die Versicherung ersetzt bei Schallplatten nicht den früheren Kaufpreis, sondern das Geld, das aufgebracht werden muss, um sie wiederzubeschaffen. Und bei Versicherungsabschluss bitte auf das Kleingedruckte schauen: Elementarschäden wie Überschwemmungen müssen häufig zusätzlich versichert werden.

Aus MINT Nr. 47 / 23. September 2021