Foto: Privat
Wenn ich so auf mein Leben schaue und darauf, was mir alles widerfahren ist, dann lande ich immer wieder bei einem ganz bestimmten Satz: Das kannst du dir nicht ausdenken. Was für Geschichten das waren! Dazu gehört natürlich auch diese Nummer beim Peace Concert 1970 in Randall’s Island, Manhattan. Damals gab es noch keine offiziellen Backstage-Pässe, man konnte sich ziemlich leicht reinschleichen, gerade wenn man den entsprechenden Look hatte. Ich trug gelbe Hot Pants, ein schwarzes T-Shirt mit einem Stern aus Schlangenleder und hatte lange Haare. Ich sah bereits aus wie ein Rockstar, alle dachten, ich spielte in einer Band. Ich habe mit den Jungs von Steppenwolf abgehangen und mit Mountain. Leslie West und ich sind später gute Freunde geworden. Irgendwann kam der Promoter an und wollte wissen, wer ich bin. Ich druckste ein wenig herum, gab zu, dass ich nur ein Fan bin. Erst wollte er mich rausschmeißen, aber dann meinte er, ich könnte auf der Bühne mit anpacken.
Jimi Hendrix war als Nächstes dran, also baute ich Mitch Mitchells Schlagzeug auf. Völlig crazy. Er kam sogar irgendwann dazu, es ging darum, welche Snare er spielen wollte. Schrägerweise erkannte ich ihn nicht gleich. Er hatte sein Image gerade etwas verändert, trug Matte mit Haarband und einen Bart. Als der andere Roadie mir steckte, wer das eben war, bin ich fast umgefallen. Tja, dann spielte also Hendrix, und was soll ich sagen: Es war fantastisch. Er kam danach sogar zu mir und bedankte sich für meine Mithilfe. Ein einziger Traum alles, wie im Film. Denn Hendrix gehörte zu den ersten Künstlern, die mich begeisterten. Hendrix, The Who, Cream, die ersten Platten waren der Wahnsinn. Meine Kumpels standen auf die Beatles, ich mochte die Stones lieber. Klar, die Beatles schrieben tolle Songs, aber die Stones hatten diese spezielle Attitüde, die mir besser gefiel. Ich selbst fing früh an, in Bands zu spielen. Mein Vater kaufte mir im Pfandhaus eine billige Gitarre, und damit ging es los. Wenig später hatte ich eine Fender Telecaster und einen Ampeg-Verstärker.
Was Hendrix angeht, fehlen einem fast die Worte. Er war eine Klasse für sich, keiner spielte wie er. Mitch Mitchells Drumstil passte perfekt dazu, er hatte einen etwas jazzigen Groove, den damals kein anderer Rock-Schlagzeuger so beherrschte wie er. Was die Lieblingsplatte angeht, hätte ich mich hier auch für Are You Experienced? entscheiden können. Mal ehrlich, so eine Platte als Debüt, mit Foxy Lady, Manic Depression, diesen ganzen Klassikern, das ist Wahnsinn. Electric Ladyland ist ebenso fantastisch mit Voodoo Chile und Crosstown Traffic, außerdem hat das Album eine besondere Bedeutung für mich. Gene Simmons hat es mir geschenkt, mit einer Originalunterschrift auf der Rückseite, so etwas ist unbezahlbar. Es hat einen Ehrenplatz bei mir im Studio, das bedeutet mir wirklich viel. Und natürlich habe ich versucht, Jimis Songs nachzuspielen. Leider bekam man kaum mit, was er da genau machte, also habe ich die Platten langsamer abgespielt, um dahinterzukommen. Es war nicht einfach, so viel kann ich sagen.
Unter meinen ewigen Lieblingssongs sind Manic Depression und All Along The Watchtower ganz vorne, und für mein Album Origins Vol. 1 habe ich mal Spanish Castle Magic gecovert. Da war aber nicht die Gitarre, sondern mein Gesang der Knackpunkt. Im Studio sagte ich zu meinem Toningenieur Warren Huart: „Pass auf, Warren, das ist eine harte Nummer – ich schaffe nur einen Take, dann muss es sitzen!“ Ich ging also ans Limit, und es haute auch hin, aber meine Stimme war danach völlig hinüber. Viele Leute sagen, ich wäre kein guter Sänger, und ich sehe mich auch nicht unbedingt als Leadsänger. Aber wenn ich die Stücke schreibe, dann singe ich sie auch. Trotzdem bin ich viel lieber Gitarrist, und Hendrix ist für mich, wie für viele andere Gitarristen meiner Generation, das ganz große Vorbild. Ich höre immer mal wieder, dass Leute in Interviews erzählen, ich hätte sie mit meinem Gitarrenspiel beeinflusst. Hätte ich das früher gewusst, dann hätte ich ein bisschen mehr geübt.
Electric Ladyland von The Jimi Hendrix Experience – veröffentlicht am 16. Oktober 1968 auf Reprise
Zur Person
Paul Daniel „Ace“ Frehley wird 1951 in New York geboren. Als Jugendlicher ist er in Gangs wie den Ducky Boys unterwegs und gründet mit seinem Bruder Charles seine erste Band. Anfang der 70er landet er über eine Audition bei der Band Wicked Lister, die sich bald darauf in Kiss umbenennt. Frehley gestaltet das berühmte Bandlogo, mit dem Beginn der Schmink-Ära wird er zu „Space Ace“, einem Besucher aus dem All. Frehley ist an Alben wie Hotter Than Hell (1974), Love Gun (1977) und den beiden Alive-Platten beteiligt, steigt 1982 aus, Mitte der 90er zeitweise wieder ein und ist unter anderem auf Psycho Circus (1998) zu hören. Seit 1978 veröffentlicht er außerdem Soloalben, seine aktuelle Platte 10.000 Volts erscheint Ende Februar 2024.
Aus MINT Nr. 66 / 02. Februar 2024